Studiengang Wahrscheinlichkeitstheorie/Wirtschaftsmathematik
Der Zufall agiert in vielen Bereichen der Wissenschaft und des gesellschaftlichen Lebens. Eine mathematische Erfassung des Zufalls ist dabei fast widersprüchlich, denn der Zufall beinhaltet das Ungesetzmäßige und Unvorhersehbare, wohingegen Mathematik die präziseste Wissenschaft schlechthin ist. Diese scheinbare Spannung macht die Beschäftigung mit dem Zufall in der Mathematik besonders reizvoll.

Das Studium der Wahrscheinlichkeit berührt viele Bereiche der Mathematik und führt zu Fragen, die tiefgreifend und fundamental sind: "Was ist Wahrscheinlichkeit?" ,bis hin zu ganz praktischen Fragen, "Wie modelliert man sinnvoll zufälliges Verhalten?", wie beispielsweise den Verlauf von Aktienkursen.

Obwohl Wahrscheinlichkeitstheorie bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert (Pierre-Simon de Laplace) mathematisch untersucht wurde, insbesondere aber in Wettspielen zum Einsatz kam, beginnt die mathematische Theorie der Wahrscheinlichkeit erst um 1900: Nach wegweisenden Arbeiten von Ludwig Boltzmann, der im späten 19. Jahrhundert den Atomismus in die Physik wiedereingeführt hat (nach den Vorsokratikern), wurde der bekannte Mathematiker David Hilbert dazu geführt, die Axiomatisierung der Wahrscheinlichkeit in seine berühmte Liste der Hilbert'schen Probleme der Mathematik aufzunehmen.
Eine weitere Manifestierung der Wahrscheinlichkeit geschah durch die Jahrhundertarbeit von Albert Einstein über die Brownsche Bewegung (1905) . Diese erratische Bewegung eines mikroskopischen Teilchens in einer Flüssigkeit, die durch die zufälligen Stösse mit Flüssigkeitsmolekuelen zustande kommt, ist nunmehr der Prototyp eines stochastischen Prozesses, der in den höheren Vorlesungen ueber Wahrscheinlichkeitstheorie behandelt wird.
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Dabei ähnelt die Bewegung dem Lauf einer Kugel durch das Galton'sche Brett.Das Galton'sche Brett ist ein Beispiel par excellence fürr die Beschreibung des Zufalls auf verschiedenen Ebenen: Auf der "makroskopischen Ebene'' kann man die Endverteilung der Kugeln durch eine einfache Bernoullikette bekommen, indem man für jede Verzweigung die "Wahrscheinlichkeit" 1/2 ansetzt, nach links oder rechts zu laufen. Auf der "mikroskopischen Ebene'' folgt der Lauf der Kugel jedoch dem physikalischen Gesetz der klassischen Mechanik, in dem Wahrscheinlichkeit gar keine Rolle spielt. Die Endverteilung der Kugeln kann daher auch aus einer mikroskopischen Betrachtung hergeleitet werden. Dies ist ein weiteres Beispiel für das seltsame Zusammentreffen von Wahrscheinlichkeit und Determinismus.
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Ähnlich verhält es sich mit der Modellbildung von Prozessen im Finanzmarkt, die einerseits makroskopisch modelliert werden, denen aber ein komplexer Markt zu Grunde liegt. Eine große Herausforderung ist hier eine Modellierung, die möglichst treffsicher den Markt beschreiben kann, mit all seinen Gewinnen und Risiken. Die Fragestellungen haben eine lange Tradition, insbesondere im Versicherungswesen, und reichen bis in die Biomathematik hinein.
In unseren Vorlesungen über Wahrscheinlichkeitstheorie und Wirtschaftsmathematik lernen Sie, mit dem Zufall zu arbeiten. Sie erarbeiten sich am Mathematischen Institut der LMU die der Wahrscheinlichkeitstheorie eigentümliche Denk- und Argumentationsweise, so dass Sie sich den Zufall zunutze machen können, um komplexe Systeme, wie zum Beispiel das Galtonbrett, den Versicherungsmarkt oder Materie in ihren verschiedenen Aggregatzustaenden, zu beschreiben.